Rassismus in Mauthausen


Als Externer begleitete ich eine kleine Gruppe der Grazer Kommunistischen Jugend Österreichs (KJÖ) in die KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Am 7. Mai findet dort, anlässlich der Befreiung vom Faschismus, die größte Gedenkveranstaltung in Europa statt. In Mauthausen inhaftierten die Nazis 200 000 Menschen und töteten 100 000.

Die KJÖler treffen sich mit den Genossen aus den anderen Regionen am Denkmal für Kinder und Jugendliche. Dort angekommen, trenne ich mich von der rund 30 Menschen fassenden Gruppe der KJÖler, die in der Nähe des Kinderdenkmals auf den Beginn der offiziellen Zeremonie warten und schaue mich im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen um. Viele Gruppen in Trachten, Pfadfinder, Anzugträger tummeln sich auf dem Gelände. Ich höre jemanden eine Rede halten. Die Männerstimme spricht von Zivilcourage, davon Rassismus nicht zu dulden. Ohne mir dabei etwas zu denken, nähere ich mich der Versammlung vor dem Jüdischen Denkmal. Doch bevor ich mich dazustellen kann, rennt ein Sicherheitsmann auf mich zu: „Who are you? Which group? From where are you?“, er steht keine zwanzig Zentimeter von mir entfernt. „I am from Germany, I want to listen, my group is somewhere else.” Der Sicherheitsmann verweist mich hinter eine Absperrung. Ich denke mir meinen Teil und gehe aufgeregt wieder zu den KJÖlern. Ich bin keine Viertelstunde auf dem Gelände.

Als die vollständige Gruppe sich aufmacht, um an der Zeremonie teilzunehmen, machen sie Halt beim Denkmal der Deutschen Demokratischen Republik, andere stehen am Bulgarischen Denkmal und wieder andere blicken in die Richtung des Jüdischen Denkmals, wo die Versammelten immer noch Reden zuhören: Ein Junge und ein Mädchen lesen wechselseitig etwas vor. Ich halte mich bewusst fern von der israelischen Versammlung. Während ich mich beim Bulgarischen Denkmal aufhalte, trifft mein Blick den des Sicherheitsmannes, der mich vorhin befragte. „Beobachtet er mich? Hat er mich jetzt als Gefahr abgestempelt?“, frage ich mich.

Wenige Minuten später kommt, begleitet von zwei anderen Sicherheitsmännern, ein Anzugträger auf mich zu. Ein Kabel hängt ihm vom Ohr. Er stellt sich als den Leiter des Sicherheitsdienstes vor und fragt: „Can I see your ID?“ Zusätzlich zu den Anzug-Securitys tauchen zwei Meter von mir entfernt drei österreichische Polizisten auf. Der Sicherheitschef fragt: „Where are you from? Why are you here? To which group do you belong?”. Ich reiche ihm meinen Personalausweis: “I am a german citizen”, antworte ich und erkläre, dass ich die KJÖ begleiten würde, ein Student aus Deutschland sei und mich dafür interessierte, was israelische Menschen zu sagen haben. Ich bin der einzige nicht- weiße Mensch im Umkreis. Er inspiziert meinen Perso und fragt erneut: „Where are you from?“, „I am from Germany“, wiederhole ich. Daraufhin er: „But where were you born? In which country?”, “I was born in Germany”, erwidere ich und merke, dass ich mit dem Mann, der dieselben Fragen noch einmal stellt und mir erklärt, dass ich befragt werde, weil ich nicht so aussehe wie die anderen Versammelten, nicht weiterkomme. Ich rufe laut zu den KJÖlern, die einige Meter neben der Szenerie stehen: „Ey Leute, hilft mir mal, ich komm hier nicht weiter!“ Schließlich stellen sich zwei KJÖler hinter mich. Sie bezeugen den Sicherheitsleuten, dass ich mit ihrer Gruppe vor Ort sei. Ich versuche deeskalativ zu sprechen und sage dem Sicherheitsmann: „I feel treated racist by you.“ „I just asked
for your ID”, rechtfertigt sich dieser und zieht ab – mein Herz rast. Ich fühle mich unsicher. Nach der Situation begeben wir uns ins Zentrum des Lagers, wo die Zeremonie bald beginnt. „Was habe ich falsch gemacht?“, frage ich mich. Es standen andere Menschen in der Nähe der Versammlung, nicht alle liefen die ganze Zeit in Gruppen, auch bei der israelischen Versammlung standen Anzugträger der Jungen ÖVP oder Leute in Freizeitkleidung, die nur zuschauten und nicht zu den Juden und Jüdinnen gehörten. Die zwei Befragungen geschehen innerhalb der ersten Stunde meines Aufenthaltes auf dem Gelände.

Die beiden Sicherheitsmänner, die mich befragten, kreuzen an diesem Tag noch einige Male meinen Weg. Ich sehe sie während der Zeremonie in meiner Nähe und fühle mich beobachtet und bedroht. Immer wieder frage ich mich, was ich falsch gemacht habe. Während aus den Anlagen eine Frauenstimme dazu aufruft mit einem entschiedenen „Nein!“ gegen Rassismus zu antworten, werde ich damit rechnen, dass mich der Sicherheitsdienst jeden Moment rausziehen könnte. Ich habe schwarze Haare, einen dunklen Teint, trage Bart.